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Cante (Gesang)

Der Flamenco, wie wir ihn heute kennen, mit viel Musik und Tanz, bestand im Ursprung nur aus Gesang („Cante“). Dieser war vollkommen eigenständig und benötigte keine Begleitung. Der Gesang ist das wichtigste Element im Flamenco und sicher auch dasjenige, welches uns Europäern am fremdesten ist.

Die Stimme eines Flamencosängers, er wird „Cantaór“ (fem. „Cantaora“) genannt, ist nicht unbedingt schön. Sie will nicht gefallen, sondern sich selbst zerreißen um Ausdruck innerster Gefühle zu werden.

Früher wurde der Cante bei der Arbeit in der Schmiede, auf dem Feld, im privaten Kreis und in der Einsamkeit der Nacht gesungen, um sich vom Schmerz des Ausgeschlossenseins zu befreien. Er war aber auch Ausdruck gemeinsamer Freude bei Zusammenkünften und vor allem natürlich bei Festen. Die Strophen, „Coplas“ oder „Letras“ genannt, werden im andalusischen Spanisch gesungen, welches mit vereinzelten Wörtern „Caló“, der ursprüngliche Sprachen der Gitanos, durchsetzt ist. Die Strophen wurden mündlich weitergegeben, dies zeigt sich besonders im folgenden Zitat von Demófilo: „Eine geschriebene Copla ist eine verkümmerte Copla, sie ist wie ein in Sevilla gewachsener Apfelsinenbaum, der nach Madrid verpflanzt wurde, in ein Klima, in dem er nur als Gewächshauspflanze überleben kann.“ [zit. nach Leblon 2001, S.80].

Der Aufbau des Cante

Ein Cante hat einen dramatischen Aufbau, der mit dem eines klassischen Dramas verglichen werden kann [vgl. Schreiner 1985, S.75]. Dieser wird im Folgenden beschrieben.

  • Das Temple ist der Eingesang des Sängers. Temple heißt Stimmung. Der Sänger stimmt sich auf den Stil und dessen Rhythmus ein und testet die Kapazitäten seiner Stimme. Oft singt sich der Sänger mit der Silbe „ay“ ein. Andere Silben die zum „einsingen“ verwendet werden sind u.a. „tiritiritiri“, „lerelerele“ und „trajilitrajilitraji“
  • Salida heißt Auftritt. Es entsteht eine erste Melodievorstellung entweder mit weiteren Silben (Alegria: „Tiri ti tran tran tran“ oder Garrotín: „Tram tram trero“) oder auch Wörter.
  • Das Tercio grande ist der Hauptteil des Cante, in welchem die Strophen gesungen werden. Tercio grande heißt großes Drittel.
  • Im Tercio de alivio, das heißt entspanntes Drittel, kann sich der Sänger von der emotionalen Anspannung der Strophe erholen und Kraft schöpfen für das kommende Drittel.
  • Das Tercio valiente ist der Zeitpunkt, an welchem der Cantaór sein ganzes Können, seine Persönlichkeit und seine Ausdruckskraft unter Beweis stellt. Es ist der kreativste Teil des Cante in dem der Cantaór viele eigene Variationen singen kann. Dieses Drittel bildet den emotionalen Höhepunkt des Cante.
  • Das Cambio und die Remate bilden den Abschluss des Cante. Remate heißt Abschluss und Cambio ist der Wechsel. Meist wechselt der Cantaór in einen verwandten Stil. Ob dieser nun schneller oder ernster und langsamer als der vorhergehende eigentliche Stil sein soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Am häufigsten wird in einen schnelleren Stil gewechselt; so kann zum Beispiel eine Soleá mit einer Bulería oder ein Tientos mit einem Tango enden.

Innerhalb dieser beschriebenen Grundstruktur hat der Sänger viel Spielraum für eigene Melodien und Variatione