Der Duende
Der Duende ist der magische Höhepunkt des Flamenco.
Laut Leblon [2001, S.110f] ist der Duende „Besessenheit, Hypnose und Enthusiasmus“. Dieser Höhepunkt kann eintreten wenn man den Flamenco lange genug auf sich wirken lässt. Früher gab es „Juergas“ (die privaten Feste der Flamencos) die 24 Stunden dauerten. Außerdem kann der anhaltende, hypnotisierende Rhythmus des Flamenco zum Duende führen. Dies kennzeichnet den Duende als Trancezustand.
1930 bei einem Vortrag in Kuba veranschaulicht der Literat Frederico García Lorca das Phänomen des Duende durch eine Anekdote. Laut seiner Erzählung trat die Sängerin La Niña de los Peines, mit bürgerlichem Namen Pastora Pavón, in einer kleinen Taverne in Cadiz vor einem Kennerpublikum auf. „Sie spielte mit ihrer Stimme aus dunklen Schatten, mit Stimme aus geschmolzenem Zinn, mit ihrer moosbedeckten Stimme; sie verwickelte sie mit ihren Haaren, befeuchtete sie mit Manzanilla oder verlor sie in verborgenen Gestrüppen. Vergeblich, zwecklos.“ Das Publikum blieb ungerührt. Erst als die Sängerin ein Glas voll Schnaps trank und „ohne Stimme, ohne Atem, ohne Nuancen, mit verbrannter Kehle – aber mit Duende sang“ und es ihr gelang, „das ganze Gerüst des Liedes zu zertrümmern, um einen wilden, versengenden Dämon durchbrechen zu lassen“, da rissen die „Zuhörer sich die Kleider in Fetzen.“ Federico García Lorca erklärt das so: „La Niña de los Peines musste ihre Stimme zerfetzen, weil sie wusste, dass erlesene Leute ihr zuhörten, die keine Formen, sondern das Mark der Formen verlangten; reine Musik mit gerade noch so viel Substanz, um sich in der Luft zu halten. Sie musste sich des Wissens und der Sicherheit begeben, das heißt ihre Muse fortschicken, verlassen und schutzlos bleiben, bis ihr Dämon kommen und sich herablassen würde, Leib gegen Leib mit ihr zu kämpfen. Und wie sie sang! Ihre Stimme spielte nicht mehr: Ihre Stimme war ein Blutstrahl, geadelt durch Schmerz und Ernst“ [zit. nach Schreiner 1985, S.111].